Die Welt des Online-Marketings hat viele Türen. Durch welche seid ihr damals gegangen?
Julia: Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Im Studium habe ich dann aber schnell zwei Dinge festgestellt. Erstens: Online-Marketing ist für viele Unternehmen sehr relevant und macht zweitens auch jede Menge Spaß. Wie vielfältig und kreativ es ist, habe ich zudem bei einem Studi-Projekt für Bethel entdeckt. Dabei sollten wir ein Social-Media-Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit entwickeln. Das hat mir sehr gefallen und erstmals die Vielseitigkeit von Online-Marketing aufgezeigt. Deshalb bin ich auch nach dem Studium dabei geblieben und habe es bis heute nicht bereut.
Kreativität ist sicher nicht alles. Sollte man im Online-Marketing auch ein Faible für Zahlen, Daten und Fakten haben?
Julia: Es kommt stark drauf an, welcher der Online-Marketing-Disziplinen man sich widmen möchte. Schaden tut es in keinem Falle, denn auch für die kreativsten Kampagnen müssen am Ende Analysen und Reportings erstellt werden, die auf eben diesen Zahlen, Daten und Fakten basieren. Fast noch wichtiger ist aber, dass man Lust auf neue und vielleicht auch ungewöhnliche Themen hat. Mein Lieblingsbeispiel ist immer die gute Flammendurchschlagssicherung. Ein sehr nischiges Produkt, mit dem ich mich privat sicher nie beschäftigt hätte (lacht). Da wir aber das Einarbeiten in die Branchen unserer Kunden für unerlässlich halten, muss man sich natürlich auch mit solchen Themen beschäftigen. Im Online-Marketing kann so jeder seine eigene Nische finden und sich dem Thema aus neurologischer, psychologischer oder technischer Perspektive nähern. Das ist besonders in Agenturen der Fall, die wie wir viele verschiedene Kunden aus unterschiedlichen Branchen haben.
Marco: Ich habe nach der Bundeswehr eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten gestartet, aber schnell festgestellt, dass ich das nicht für den Rest meines Lebens machen möchte (lacht). Deshalb habe ich direkt im Anschluss eine Ausbildung zum Anwendungsentwickler absolviert und dort im Unternehmen meinen späteren Geschäftspartner kennengelernt. Gemeinsam haben wir dann bei einem E-Commerce-Unternehmen angefangen. Dort sollten wir gleich zu Beginn einen Online-Shop samt Warenwirtschaftssystem entwickeln. Dabei mussten wir alle Prozesse von Beginn an aufbauen. Das war spannend, aber auch eine enorme Herausforderung. Später bin ich dann in die Geschäftsführung gewechselt und habe anschließend noch ein BWL-Studium absolviert. Meine Abschlussarbeit hat sich dann natürlich mit Online-Marketing beschäftigt. Mein Geschäftspartner war zwischenzeitlich andere Wege gegangen. Wir haben uns dann aber eines Tages wiedergesehen und dann nahm die Idee einer eigenen Software-Agentur Gestalt an. Heute konzentrieren wir uns vor allem auf E-Commerce-Entwicklung und sind hier wirklich top aufgestellt.
Also war die Selbstständigkeit nichts, was Du von Beginn an verfolgt hast?
Marco: Genau. Wir sind da mehr oder weniger so reingerutscht. Das ist aber gar nicht verkehrt. So hat man noch andere Unternehmen und Perspektiven kennengelernt. Im Nachhinein betrachtet sind wir da ein wenig reingestolpert und vielleicht gerade deshalb unseren Weg gegangen.
Ihr seid beide Unternehmer. Was sind aus eurer Sicht die größten Vorteile einer Selbstständigkeit?
Marco: Unternehmertum an sich ist etwas, was mir sehr viel Spaß macht. Das habe ich bereits als Teil der Geschäftsführung zu Beginn meiner Karriere festgestellt. Als Geschäftsführer kann ich zudem viel delegieren. Und das muss auch so sein, denn in meinem Team sind viel bessere Programmierer und Entwickler als ich. Dafür kann ich mich auf andere Aufgaben konzentrieren. Selbst und ständig ist für mich deshalb auch keine Drohung, sondern etwas, was mich erfüllt. Ein Unternehmen aufzubauen, strategisch auszurichten und zu entwickeln ist einfach enorm vielseitig und genau mein Ding.
Was würdet ihr denn jungen Menschen empfehlen, die sich selbstständig machen wollen?
Marco: Direkt nach der Uni in die Selbständigkeit zu gehen ist schwer. Mein Tipp wäre, erst einmal Berufserfahrung zu sammeln. Gerade das Personalmanagement und die Menschenkenntnis bei der Personalsuche sind etwas, was einfach eine gewisse Erfahrung braucht. Fachliche und rein theoretische Kompetenz reicht da nicht. Wer nur zwei bis drei Mitarbeiter hat, kann diese noch direkt führen. Alles darüber ist schon eine Herausforderung, bei der man auch viele Fehler machen kann. Das wird erst wieder leichter, wenn man mit dem wachsenden Team auch Personalverantwortung abgeben kann – etwa an Team- oder Abteilungsleiter.
Julia: Als Angestellter erlebt man ja, wie es vielleicht nicht funktioniert und kann von Fehlern anderer lernen. Man muss nicht jedes Mal selbst die Hand auf die Herdplatte legen. Als Unternehmer kannst Du Verantwortung zudem nicht einfach abwälzen, sondern musst dann für Deine Fehler und Dein Team geradestehen. Das fällt auch nicht jedem leicht und will erst gelernt werden. Schließlich ist man für Menschen verantwortlich, die teilweise Familien haben und sich darauf verlassen, dass man als Unternehmer die richtigen Entscheidungen trifft.
Was macht ihr denn anders als andere Agenturen?
Marco: Unser Fokus auf E-Commerce und dass wir hier von A bis Z alles abdecken, ist sicher ein Alleinstellungsmerkmal. Ein anderer Punkt ist die Digitalisierung von Strukturen und Prozessen in Unternehmen, die wir anbieten. Das macht in der Form kaum eine andere Agentur. Wir erkennen viele Probleme, bevor sie entstehen – und das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Wir bieten zudem mehr als die reine Technik. Die Kunden haben oft das Gefühl, dass wir eher eine Art externe Abteilung sind, da wir uns so stark mit den Zielen des Unternehmens identifizieren. Dazu gehört auch ein Service, der weit über das Übliche hinausgeht.
Julia: Das kann ich nur bestätigen (lacht). Gerade was E-Commerce angeht, gibt es für uns als Online-Marketing-Profis keinen besseren Partner als alkima. Das reicht vom Tracking über den Aufbau verkaufsstarker Landingpages und Shopseiten bis hin zum Design der jeweiligen Web-Präsenzen. alkima hat oft den berühmten Blick über den Tellerrand und das hilft auch unseren Kunden, die etwa eine Beratung bei dem Warenwirtschaftssystem brauchen oder eine langfristige technische Betreuung, die auch auf kleinste Details achtet. Genau wie alkima haben wir bei atrava den Anspruch, wie eine Inhouse-Agentur zu arbeiten. Wir wollen die jeweilige Branche unseres Kunden verstehen, arbeiten uns tief in die Materie ein und finden so Lösungen, auf die andere Agenturen nicht kommen, die den Kunden nur als anonyme Nummer betrachten. Durch unsere enge Zusammenarbeit entstehen außerdem jede Menge Synergieeffekte, durch die der Kunde zusätzlich profitiert.
Marco: Viele Agenturen machen eben entweder Online-Marketing mit ein bisschen Webentwicklung oder Webentwicklung mit ein bisschen Online-Marketing. Die Kunden brauchen aber das Beste aus beiden Welten und durch unsere Kooperation können wir genau das bieten.
Was glaubt ihr, welche Trends zukünftig eine Rolle im Online-Marketing spielen werden?
Marco: Tracking. Denn aktuell ist nicht immer der Betreiber einer Seite auch derjenige, der die Daten erfasst. Die Frage wird also zunehmend lauten, wie die Daten getrackt, aufbereitet und sinnvoll verwendet werden können – natürlich immer datenschutzkonform. Denn Daten sind nun einmal die Basis des Performance-Marketings und der Erfolg einer Kampagne hängt entscheidend von der Qualität der Daten und ihrer Verwendung ab.
Julia: Automatisierung ist ein anderes wichtiges Thema, dass uns natürlich auch in Zukunft beschäftigen wird. Google, Facebook & Co. stellen eigentlich laufend neue Kampagnentypen vor. Teilweise funktioniert der Algorithmus hier sehr gut, oft leider aber auch nicht. Und da müssen wir Kampagnen manuell und sehr individuell aufbauen. Wir drehen dabei an sehr feinen Stellschrauben und justieren diese immer wieder nach. Außerdem nutzen wir neueste Technologien wie ChatGPT und beraten unsere Kunden bei dem gezielten Einsatz dieser Systeme.
Ostwestfalen-Lippe wird immer als ein wenig provinziell beschrieben. Denkt ihr, das Thema Online-Marketing ist bei den Unternehmen in der Region angekommen?
Julia: Generell sind die OWL-Betriebe schon modern und neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen. Ein Beispiel ist die Prozessdigitalisierung. Hier bewegt sich eine ganze Menge. Dann gibt es aber auch Konzerne, die Millionen und Milliarden umsetzen, aber das kleine 1x1 des Online-Marketings nicht verinnerlicht haben. Wir legen dann den Finger in die Wunde und sorgen schon mit kleineren Analysen für große Augen und offene Münder (lacht). Diese Unternehmen haben oft riesige Marketing-Abteilungen, die sich aber eher mit analogem Marketing oder Event-Marketing befassen. Suchmaschinenoptimierung, Google Ads oder Performance-Marketing generell stehen dann aber selten auf dem Plan.
Was hat das Deiner Meinung nach für Gründe?
Julia: Das „Problem“ zeigt sich hier oftmals schon bei den Stellenanzeigen dieser Unternehmen: Diese suchen meist die eierlegende Wollmilchsau. Da wird dann gefordert, dass sich jemand perfekt mit HTML auskennt, Erfahrung als Data-Analyst hat und zugleich Social-Media-Kampagnen entwickelt oder die Blogtexte verfasst. Dabei sind das eigentlich Jobs für mindestens drei verschiedene Mitarbeiter, die sich darauf jeweils spezialisiert haben. Der Bewerber kann dann meist eine dieser Aufgaben sehr gut, die anderen aber eben nicht oder nur mehr schlecht als recht erledigen. Das ist ein Problem, das wir immer wieder erleben. Hinzu kommt: Online-Marketing ist enorm schnelllebig. Ein Mitarbeiter allein kann all die verschiedenen Trends, Tools und Technologien kaum im Blick behalten. Dafür braucht es größere Teams oder eben eine externe Agentur.
Marco: Ich sehe das genau wie Julia. Online-Marketing ist wahnsinnig vielfältig und wenn man das ganze Potenzial nutzen will, muss man große Teams mit Spezialisten beschäftigen oder eben eine gute Agentur zur Seite haben. Will man zu viele Bälle gleichzeitig hochhalten, werden zudem die Prozesse ineffizient. Es schleichen sich Fehler ein und alle sind überfordert. Außerdem kommt dann irgendwann der berühmte Tunnelblick. Man erhält wenig Input von außen und entwickelt sich nicht weiter. Das alles kostet das Unternehmen Zeit, Geld und Nerven.
Wie überzeugt ihr Kunden, dass ihr Online-Marketing ein Update braucht?
Julia: Ein Beispiel: oft kommen Kunden mit einer Keywordliste zu uns. Diese enthält dann Suchbegriffe, die das Unternehmen für relevant hält und welche dann beworben werden sollen. Diese Listen enthalten dann oftmals das interne Wording, „Marketingsprech“ oder Fachbegriffe, die zwar inhaltlich korrekt sind und auch intern verwendet werden, aber so niemals vom „normalen User“ gesucht werden. Nicht der Kunde bestimmt, was gesucht wird, sondern der User bestimmt es jedes Mal aufs Neue durch das, was er in die Suchmaschine eingibt. Wir haben daher Tools, mit denen wir sinnvolle Keywords finden, die auch tatsächlich gesucht werden. Oft reicht das schon als Augenöffner.
Marco: Und natürlich haben wir Daten, die unsere Analyse belegen. Der Kunde kann also genau sehen, wie sein Webshop aktuell performt und was eigentlich möglich wäre. Bei einem Online-Shop sind auch der persönliche Geschmack und individuelle Vorlieben wichtig. Das Design und die Userführung gefallen dann vielleicht dem Abteilungsleiter, sind aber nicht zielführend und verschrecken potenzielle Kunden eher. Am Ende zählt die Conversion – also der zahlende Kunde.
Julia: Es gibt aber auch Kunden, die einfach unbelehrbar sind. Bei einem Projekt haben wir dringend dazu geraten, Kategorietexte und Produktbeschreibungen zu verfassen, damit überhaupt relevanter Content auf der Seite vorhanden ist. Und dann kommt so etwas wie: „Ja, aber unserer Geschäftsführung gefallen keine langen Textwüsten. Die wollen jeweils nur drei Zeilen dort sehen.“ So funktioniert das aber nicht und dann wundert sich der Kunde, weshalb seine Seite auf Google nicht gefunden wird. Drei Sätze sind für die Suchmaschinenoptimierung nicht genug. Wenn der Chef dann kein Einsehen hat, kann auch die interne Marketingleitung im Unternehmen nicht viel ausrichten. Manchmal lässt sich der Kunde noch überzeugen. Manchmal beißt man aber auf Granit. Mehr als beraten kann man an der Stelle nicht.
Ihr seid beide in OWL verwurzelt oder zumindest beruflich hier sehr engagiert. Was zeichnet die Region eurer Meinung nach aus?
Marco: Ich lebe zwar nicht in OWL, bin aber öfter hier und finde die Region klasse. Es gibt in OWL wahnsinnig viele spannende Unternehmen und die Region hat sich trotzdem einen gewissen ländlichen Charme bewahrt.
Julia: Ostwestfalen gelten als bodenständig und etwas reserviert. Wenn man sich aber einmal kennengelernt hat, sind die Menschen sehr herzlich und man findet Freunde fürs Leben. Jemand, der aus Berlin oder München kommt, hat dann schnell den Eindruck, dass Ostwestfalen unfreundlich sind, das ist aber ganz sicher nicht der Fall. Hier steckt zudem so viel wirtschaftliche Power wie in kaum einer anderen Region. Was OWL leider nicht hat, sind genügend Bürofläche und Ladesäulen für E-Autos. Das wäre etwas, was OWL wirklich noch gebrauchen könnte.